Schulen der Zukunft

Sich mehrere Wochen intensiv mit einem Thema auseinandersetzen, sich in Fachbücher vertiefen und Resultate in einer grösseren Arbeit präsentieren. Etwas, das ich seit meiner Studienzeit nie mehr gemacht habe und für mich eine grosse Bereicherung dargestellt hat. Ausserdem habe ich erfahren, wie intensiv und wie lange Fachleute bereits die Fragen diskutieren, die ich mir erst seit wenigen Jahren stelle und wie viel Wissen zu diesen Themen bereits vorhanden ist.

 

Daraus folgend habe ich nicht zuletzt die Kenntnis gewonnen, wie wichtig es ist sich als Lehrperson in pädagogischen und didaktischen Fragen immer mal wieder mit dem Stand der Forschung auseinanderzusetzen. Persönlich habe ich festgestellt, wie ich meinen Unterricht zwar regelmässig hinterfragt, aber auch immer wieder «orientierungslos» daran herumgebastelt habe, auf der Suche nach dem goldenen Schlüssel, der den Lernenden den Zugang und die Motivation zu einem Thema öffnet.

 

Ist der kompetenzorientierte Unterricht dieser gesuchte «goldene Schlüssel» um die Motivation und das Engagement in den Klassezimmern zu erhöhen? Ich habe das Gefühl, es ist zumindest ein guter Anfang. Die Kompetenzorientierung setzt viele Erkenntnisse um, die Entwicklungspsychologen und Hirnforscher zum Teil schon seit Jahrzehnten geliefert haben. Die Gefahr besteht, dass man bei der Kompetenzorientierung das «Raster» und die «Lernschritte» in den Vordergrund stellt und der Unterricht damit kaum im Interesse der Jugendlichen angepasst wird. Vor allem in einem Fach wie Geschichte wirkt das Kompetenzraster bis zu einem gewissen Grad "konstruiert" und ob die Lernenden, sich in den vorgestellten Begrifflichkeiten zurechtfinden werden, wird sich im Alltag zeigen müssen. Mir gefallen an dem Unterrichtskonzept vor allem die Ideen des «Beobachtens», der «Individuellen Lernbegleitung» und der «Lebensweltliche Bezug». Ich glaube an eine Schule, die den Jugendlichen auf Augenhöhe begegnet, ihre Bedürfnisse und Schwierigkeiten ernst nimmt und ein wirkliches Interesse daran hat, jeden einzelnen Menschen bei der Entfaltung seines Potentials zu unterstützen. Nur in einem solchen Lernumfeld gestalten wir eine Atmosphäre, in der nachhaltiges Lernen möglich ist.

 

Schulen sind grosse Institutionen mit häufig komplexen Entscheidungsstrukturen und vielen Verantwortlichkeiten gegenüber zahlreichen Akteuren. Diese Trägheit macht es für Schulen schwierig am Puls der Zeit bleiben und mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel schritthalten. Es braucht viel Energie und Überzeugung von Lehrpersonen und Schulleitungen um diesen Wandel voranzutreiben und die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die Elemente des kompetenzorientierten Unterrichts in ihrer ganzen Breite umgesetztwerden können. Genauso bin ich aber überzeugt, dass Lehrpersonen und Schulleitungen nicht einfach darauf warten können, bis "von oben" die Freigabe oder gar "der Befehl" erfolgt, doch bitte die Schulorganisation den aktuellen Erkenntnissen und Bedürfnissen anzupassen. Die Initiative für die "Schule der Zukunft" muss von den Leuten kommen, die in der tagtäglichen Arbeit mit den Lernenden spüren, welche Veränderungen sich früher oder später aufdrängen.

 

In meiner Wahrnehmung haben viele Lehrpersonen und Schulen erkannt, dass sich in Bezug auf unsere pädagogischen und didaktischen Grundsätze Veränderungen aufdrängen. Zahlreiche Schulen zeigen sich innovativ im Einsatz von neuen didaktischen Hilfsmitteln und versuchen den Unterricht mit Portfolioarbeit, elektronischen Medien oder Formen von Selbstorganisiertem Lernen auf dem neusten Stand zu halten. Andere Schulen zeigen sich noch mutiger und wagen es herkömmliche schulische Strukturen zum Beispiel in Bezug auf Notengebung, Stoffpläne, Zeitgefässe oder räumliche Arrangements zu lockern oder gar neu zu gestalten. Dies ist erfreulich und solche Tatkraft ist in jedem Fall zu ehren. Ich bin aber gleichzeitig der Überzeugung, dass neue didaktische Hilfsmittel und offenere Strukturen erst ihr volle Wirkung entfalten können, wenn es den Lehrpersonen (oder im Falle von offenem Unterricht: Lernbegleitern) gelingt, sich vollständig von der Rolle des "belehrenden" und "korrigierenden" Erziehers zu lösen und den Lernenden die Verantwortung für das Lernen mit echtem Vertrauen und Offenheit für die mannigfaltigen Lernwege zu übergeben. Erst dann ist in meinen Augen ein echter Wandel in der Wahrnehmung und Beurteilung von Lernen vollzogen. Im Idealfall manifestiert sich die "Schule der Zukunft" also ausgehend von der veränderten Auffassung des Lehrerberufs, über die angepassten Strukturen bis hin zu den wirksamsten didaktischen Hilfsmittel "von unten nach oben". Gleichzeitig bin ich aber auch guten Mutes, dass wertvolle Veränderungen auch auf dem umgekehrten Weg sozusagen "von oben nach unten", über die positiven und negativen Erfahrungen mit neuen Hilfsmitteln und Strukturen bis in die Köpfe der Lehrpersonen "durchsickern" können. Solche Veränderungen könnten sich allerdings als weniger grundlegend oder nachhaltig herausstellen. Die folgende einfache Darstellung ist ein Versuch die obigen Gedanken zu verdeutlichen.

Abbildung 22: Konstrukt "Schulen der Zukunft" (eigene Darstellung)
Abbildung 22: Konstrukt "Schulen der Zukunft" (eigene Darstellung)

Didaktische Hilfsmittel

SOL, Werkstattarbeit, Portfolioarbeit, Technische Hilfsmittel, "BYOD", ...

Schulische Strukturen

Stoffpläne, Stundenpläne, Blockzeiten, Offener Unterricht, Fächerübergreifender Unterricht, Einrichtung Schulzimmer, ...

Menschenbild

Perzeption des Lernens, "Lehrer"-Schüler-Beziehung, Vertrauen in die Fähigkeiten der Jugendlichen, Fehlertoleranz, Gewaltfreie Kommunikation, Offenheit für die individuellen Lernwege, ...


Unten folgen einige Beispiele von Menschen und Schulen, die sich als Pioniere von den gängigen Konzepten von "Schule" gelöst haben und somit als Zugpferde den fälligen Wandel vorantreiben. Ich wünsche allen beteiligten Akteuren in der Bildungslandschaft viel Mut und Rückgrat, um ihren Beitrag für die «Schulen der Zukunft» zu leisten.

 

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schulen der Zukunft

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