Was heisst "Kompetenzorientierung"?

Bevor wir uns der Kompetenzorientierung als Unterrichtsform zuwenden macht es Sinn sich kurz einmal einen Überblick über den Begriff der «Kompetenz» im Allgemeinen zu verschaffen.

 

Das Wort Kompetenz geht auf das lateinische Verb competere zurück, wo es «(zu etw.) fähig sein» oder «zusammentreffen» bedeutet. In der Pädagogik geht der Begriff zurück auf Wolfgang Klafkis Kompetenzmodell der kritisch konstruktiven Didaktik. Gemeint ist damit die Fähigkeit und die Fertigkeit in den genannten Gebieten Probleme zu lösen, sowie die Bereitschaft zu zeigen dies auch zu tun. Die kritisch-konstruktive Didaktik wurde von Wolfgang Klafki in den 80er Jahren entwickelt, nachdem vor allem in den 50er und 60 er Jahren von vielen Didaktikern die zu starke Fokussierung auf inhaltliche Fragen kritisiert worden ist. Durch das Adjektiv "kritisch" soll der Anspruch ausgedrückt werden, dass diese Didaktik Kindern und Jugendlichen zu "Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs und Solidaritätsfähigkeit in allen Lebensdimensionen" verhelfen solle. Das Adjektiv "konstruktiv" knüpft eine Verbindung zum Praxisbezug mit seinem Handlungs-, Gestaltungs- und Veränderungsinteresse. (HARTMANN: 2012)

 

Heute beziehen sich die meisten didaktisch-pädagogischen Erklärungsmodelle auf die etwas neuere Definition des Psychologen Franz. E. Weinert. Auch im Lehrplan 21 wird Bezug auf seine Auslegung der Kompetenzorientierung genommen:

 

«Die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.» (phzh.ch. o.D.)

 

Zusammengefasst wird die Kompetenzorientierung in Anlehnung an Weinerts Definition häufig mit dem Dreiklang Fähigkeit – Fertigkeit – Bereitschaft. Oder noch etwas einfacher ausgedrückt: Wissen – Können – Wollen.

 

Weitere Definitionen zum Thema „Kompetenzen“ finden sich in grosser Zahl. Trotz einigen Unterschieden haben alle eine gemeinsame Grundidee. Kompetenz ist demnach mehr als reines Fachwissen. Kompetenz bedeutet, sein Wissen praktisch anzuwenden und eigenes Lernen bewusst zu erleben. Kompetenz zeigt sich in verantwortungsvollem Handeln und der Bereitschaft, eigenes Können und Wissen einzusetzen und anzuwenden. In Bezug auf eine Aufgabe oder eine Herausforderung wird auch fast in jeder Definition zwischen fachlichen und überfachliche Kompetenzen unterschieden, die für eine „Handlungskompetenz“ gleichermassen bedeutsam sind beziehungsweise miteinander verknüpft werden müssen. Im Lehrplan 21 heisst es dazu:

 

"Die Facetten von Kompetenzen sind sowohl fachlicher als auch überfachlicher Natur. (…) Über die Auseinandersetzung mit variablen Lerngegenständen und Problemlösungen erwerben Schülerinnen und Schüler nicht nur fachbedeutsames Wissen, sondern sie machen auch Lernerfahrungen und erwerben Methoden- und Strategiewissen, das sich auf neue Lernzusammenhänge und Anforderungen übertragen lässt. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit Fachinhalten bedeutet somit immer auch ein Lernen, das über den spezifischen Fachinhalt hinausgeht, so wie umgekehrt jedes anspruchsvolle fachspezifische Lernen auf überfachliche Kompetenzen der Lernenden angewiesen ist." (Lehrplan 21: 2014, 31)

 

Zu der historischen Fachkompetenz werden wir etwas später detaillierter eingehen. Wenden wir uns zuerst einmal der Frage zu, was den mit den überfachlichen Kompetenzen gemeint sein könnte, die schlussendlich zu dieser „Problemlösefähigkeit“ in erheblichen Masse beitragen. Darüber, wie sich überfachliche Kompetenzen zusammensetzen besteht im grossen und ganzen Einigkeit.

 

Selbstkompetenz oder Personale Kompetenz: Zeigt sich in der Fähigkeit für sich selbst und andere Verantwortung zu übernehmen und in einer angemessenen sinnhaften Lebensgestaltung.

 

Sozialkompetenz: Ist die Fähigkeit mit anderen Menschen in Beziehung zu treten und in diesen Beziehungen zu Menschen situationsädaquat zu handeln.

 

Methodenkompetenz: Ermöglicht eine zielgerichtete, effiziente und verantwortungsvolle Bewältigung von auferlegten Aufgaben.

Nicht überall geich behandelt wird der Begriff Handlungskompetenz. In den meisten Darstellungen führt das funktionierende Zusammenwirken von Fach-, Selbst-, Methoden-, und Sozialkompetenz schlussendlich zur konkreten Handlungskompetenz.

Abbildung 2: Handlungskompetenz (landsiedel-seminare.de, 2018)
Abbildung 2: Handlungskompetenz (landsiedel-seminare.de, 2018)

Daniel Hunziker hat in seinem Buch „Hokuspokus Kompetenz“ einen Kompetenzatlas für Kinder und Jugendliche entwickelt. In seiner Vorstellung wird die „Aktivierungs- und Handlungskompetenz“ als eigenständigen Kompetenzbereich ausgewiesen dem Schlüsselfähigkeiten wie Gestaltungswille oder Entscheidungsfähigkeit zugeordnet werden (HUNZIKER, 2017, ) (siehe Anhang). Diese Unterscheidung sei hier nur erwähnt, da dieser Kompetenzatlas im vorliegenden Modell eines kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts als Basis für die Selbstevaluation der Lernenden dient.

           

Was heisst es nun «kompetenzorientiert» zu unterrichten? Mit welchen Unterrichtsmethoden können nun diese Kompetenzen gezielt gefördert werden? Oder wie es Meyer in seinen Ausführungen treffend formuliert. «Kompetenzorientierung sagt viel darüber aus, was herauskommen soll, aber wenig darüber, wie der Unterricht gestaltet werden kann.» (MEYER, 2012, 9)

 

Eine gültige allgemeindidaktische Theorie dazu existiert leider (noch) nicht. Dies hängt nicht zuletzt mit einem der Grundprobleme des kompetenzorientierten Unterrichts zusammen. Die Einführung dieser Unterrichtsform war eine reine top-down-Bewegung. Die Forderung nach einem Paradigmenwechsel in der Unterrichtsgestaltung wurde in der Schweiz mit der Einführung des Lehrplans 21 manifestiert, bevor überhaupt Klarheit darüber herrschte, wie ein solcher Unterricht überhaupt in der Praxis aussehen könnte. Diese fehlende Orientierung führt dazu, dass sich einerseits viele Lehrpersonen mit den neuen Anforderungen überfordert fühlen oder anderseits mit mehr oder minder eigenwilligen Deutungen des Konzepts ihren eigenen kompetenzorientierten Unterricht zusammenschustern. Dies müsste nicht sein. Denn in der Zwischenzeit gibt es immerhin eine Fülle von Hilfestellungen, die einem den Einstieg in diese Unterrichtsform erleichtern. Unter anderem gibt es eine Fülle von Zusammenstellung, die die Merkmale von «kompetenzorientiertem» Unterricht zusammentragen. Diese Orientierungshilfen umfassen je nach Differenzierungsgrad zwischen 6 und 12 Punkten, an denen sich der Unterricht orientieren kann, unterscheiden sich in der Essenz aber kaum. Wir orientieren uns in der Folge an den Bausteinen von Hilbert Meyer und seinen 7 Merkmalen:

Abbildung 3: Merkmale des kompetenzorientierten Unterrichts. (MEYER: 2012, 7)
Abbildung 3: Merkmale des kompetenzorientierten Unterrichts. (MEYER: 2012, 7)

Im Folgenden werden diese sieben Merkmale des kompetenzorientierten Unterrichts noch eingehender angeschaut und deren konkrete Umsetzung im Unterricht reflektiert. Meyer merkt in Anschluss an seine Zusammenstellung an, dass der Katalog sehr umfangreich ist und eigentlich nur in einem mehrjährigen Unterrichtsprozess realisiert werden kann, der mit möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen mitgetragen werden muss. (MEYER: 2012, 11)