Systematischer Wissensaufbau

Das vierte Merkmal des problemorientierten Unterrichts hat den systematischen Wissensaufbau zum Thema. Dieser sorgt gemäss Hilbert Meyer (MEYER; 2012, 7) für einen am Lehrplan orientierten systematischen Wissensaufbau und achtet darauf, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Vorwissen einbringen und Bezüge zu anderen Unterrichtsfächern herstellen können.

 

Dies ist eine Forderung die auch empirisch abgestützt ist (WAACK: 2018). Die Herausforderung liegt nun darin die Forderung nach einem systematischen Wissensaufbau mit dem Anspruch zur Individualisierung (Merkmal 2) und Problemorientierung (Merkmal 3) zu verbinden. Die Realität wird sein, dass die Lernenden ganz unterschiedliches Vorwissen (oder besser «unterschiedliche Kompetenzen») für ein Thema mitbringen. Wie kann ich nun sicherstellen, dass meine geplanten Inhalte alle Schülerinnen und Schüler bei ihrem aktuellen Wissenstand abholen, damit der der systematische Wissensaufbau gewährt ist? Zudem ist es bei problemorientiertem Unterricht ja per Definition so, dass die Lernenden vor ein ungelöstes Problem gestellt werden und versuchen sollen einen eigenen Weg zu finden um dieses Problem zu lösen. Die Aufgabe, oder besser das Problem, ist eben gerade NICHT systematisch angepasst, sondern absichtlich «unstrukturiert» oder eben «unsystematisch», damit die Lernenden herausgefordert sind das Problem selber zu strukturieren und im besten Fall zu lösen (oder Lösungsvorschläge zu machen).

 

Daniel Hunziker bietet uns zwei Modelle an, wie Aufgabenstellungen im kompetenzorientierter Unterricht aufgegleist werden können.

Abbildung 13: Lebensnahe Herausforderungen als Ausgangspunkt kompetenzorientierten Lernens (HUNZIKER: 2015, 65)
Abbildung 13: Lebensnahe Herausforderungen als Ausgangspunkt kompetenzorientierten Lernens (HUNZIKER: 2015, 65)
Abbildung 14: Fachbezogene Lerninhalte als möglicher Ausgangspunkt kompetenzorientierten Lernens (HUNZIKER: 2015, 67)
Abbildung 14: Fachbezogene Lerninhalte als möglicher Ausgangspunkt kompetenzorientierten Lernens (HUNZIKER: 2015, 67)

Die Frage ist nun, was wir unter «systematischem Wissensaufbau» verstehen. Hunziker betont, dass geschlossene Aufgaben nicht viel bringen, selbst wenn sie scheinbar passgenau auf das Niveau eines Schülers abgestimmt sind. Präzise geplante Lernschritte, genaue Zeitvorgaben, systematisierte Lernjobs. Solche Aufgaben seien für die Lehrperson enorm aufwendig. Ständig muss neues Futter gebracht werden und die Lernenden haben das Gefühl Sie hätten einen Berg von Aufträgen zu erledigen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Hunziker empfiehlt von dieser Idee des linearen Lernwegs (und damit auch dieser Vorstellung von «Wissensaufbau») abzukommen. Er propagiert freie und mitgestaltbare Lernsettings. (HUNZIKER: 2015, 69f)

 

Damit wären wir bei der gleichen Ausgangslage wie bei der Individualisierung. Zum besseren Verständnis wie «systematischer Wissensaufbau» im besten Fall funktioniert, können wir uns auch hier noch einmal die Vorschläge von Annemarie von Groeden ins Bewusstsein rufen. Sie weist darauf hin, dass gute Lernaufgaben so konstruiert sein müssen, dass alle Schülerinnen und Schüler sie erfolgreich bearbeiten können. Sie sollen Interesse wecken und produktive Lernkräfte herausfordern. Sie sollen in sich gestuft sein, dass dies auf unterschiedlichen Niveaus möglich ist. Die Pointe dabei ist, dass diese Aufgaben nicht in der Weise zur Differenzierung beitragen, dass lernschwache Schüler und Schülerinnen nur die leichtesten Varianten bearbeiten, begabte nur die schwierigsten und die «mittleren» die mittleren. Damit wäre die Chance zur Individualisierung verschenkt. (GROEDEN: 2011, 58) Vielmehr soll die Staffelung dazu dienen, dass die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Wege erproben können und sollen und dass die Lehrenden an den Ergebnissen erkennen können, wie diese Lernwege verlaufen sind. Auf welche Anforderungen haben die Schüler wie reagiert? Wie sind sie bei der Lösung der Aufgaben vorgegangen? Welche Strategien wenden sie an und wo zeichnen sich Probleme ab? Für diese Form von «systematischem Wissensaufbau» bietet es sich an, zu einem Themengebiet immer mehrere Teilaufgaben zu stellen, die verschiedene «Wege zum Ziel» ermöglichen, die aber nicht alle gelöst werden müssen. Für ein zu erreichendes Basiswissen können natürlich obligatorische Aufgaben ausgewiesen werden. (GROEDEN: 2011, 119)

Konsequenzen für den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht

Bezüglich des systematischen Wissensaufbaus ist das Fach Geschichte wohl generell in einer anderen Ausgangslage, als zum Beispiel Sprachfächer oder Mathematik. Die ausgewiesenen historischen Fachkompetenzen ermöglichen es, diese in einem langfristigen Prozess anhand von unterschiedlichen Themen (die nicht aufeinander aufbauen, sondern sich «nur» aufeinander beziehen) zu entwickeln. Dies erlaubt es uns dem Vorschlag nach offenen Lernarrangements, in denen die Lernenden ihren «Wissensaufbau» in erheblichem Masse selbst gestalten können, zu folgen. Selbstverständlich müssen die Lernenden an diese Form des Lernens in Schritten herangeführt werden.